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Zweimotoriger Heinkel-He111-Bomber in Serienproduktion in einer deutschen Flugzeugfabrik .N

Hunderte Male schrien Jagdpiloten der Royal Air Force den Namen in ihre Mikrofone: „Heinkels!“ Denn fast tausend Mittelstreckenbomber vom Typ Heinkel He-111 bildeten während der Luftschlacht um England 1940/41 die Hauptmacht der deutschen Luftwaffe. Es waren diese zweimotorigen Maschinen mit dem charakteristisch verglasten Bug, die in der ersten Hälfte des Zweiten Weltkriegs bei allen Gegnern des Dritten Reiches gefürchtet waren. Ihre Geschichte hatte am 1. Dezember 1922 in Warnemünde begonnen.

An diesem Freitag nämlich gründete der 34-jährige Ernst Heinkel in Warnemünde die nach ihm benannten Flugzeugwerke; als Standort hatte er eine Halle des ehemaligen Seeflugzeug-Versuchs-Kommandos gemietet. Zwar hatte er sein Studium des Maschinenbaus nie formal beendet – über das Zeugnis der „mathematisch-naturwissenschaftlichen Vorprüfung für Kandidaten des Maschineningenieurfachs an der Königlichen TH zu Stuttgart“ kam er nicht hinaus. Trotzdem war er vor und während des Ersten Weltkriegs zum erfolgreichen Flugzeugkonstrukteur geworden, für die Albatros-Werke und die Hansa-Brandenburgischen Flugzeugwerke.

1930_-_Standort_der_Ernst_Heinkel_Betriebsstätte_in_Warnemünde_Hohe_Düne

 

Der zweite Standort der Ernst-Heinkel-Flugzeugwerke in Warnemünde Veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-SA 4.0Quelle: Wikimedia / CC-BY-SA 4.0Veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-SA 4.0

Hier knüpfte Heinkel 1922 wieder an. Der Versailler Vertrag verbot Deutschland militärisch nutzbare Flugzeugentwicklungen, doch viele Konstrukteure sahen in dieser Auflage nur einen Ansporn, trickreich dagegen zu verstoßen. So auch Heinkel: Offiziell entwickelte und baute er vor allem Wasserflugzeuge für den zivilen Gebrauch, tatsächlich aber bot er seine technischen Kenntnisse ausländischen Auftraggebern an; die dabei entstandenen Konstruktionen wurden dann im Ausland in Lizenz gefertigt. Unter anderem die ersten per Katapult gestarteten Aufklärungsflugzeuge für die Kriegsmarine des Kaiserreichs Japan waren eigentlich Heinkel-Konstruktionen.

1932 entwickelten Ernst Heinkel, der seit einem schweren Unfall 1911 nicht mehr selbst ein Flugzeug steuern konnte, und sein Chefkonstrukteur Siegfried Günther das „Schnellverkehrsflugzeug“ Heinkel He-70. Die einmotorige Maschine erreichte für die Zeit atemberaubenden 360 Kilometer pro Stunde Höchstgeschwindigkeit.

Dieses Muster war bereits als „Dual-use“-Konstruktion konzipiert, lange bevor es diesen Begriff überhaupt gab: Sie konnte sowohl für zivile wie für militärische Zwecke eingesetzt werden. 15 Exemplare der He-70 gingen an die Deutsche Lufthansa, weitere 26 ins Ausland – aber ab Januar 1935 erhielt die neue Luftwaffe gleich 296 Stück vor allem als Aufklärer und Verbindungsflugzeug.

Nach dem gleichen Prinzip entwickelten Siegfried Günther und sein Zwillingsbruder Walter für Ernst Heinkel ab 1932 die He-111. Offiziell ein zweimotoriges Zivilflugzeug für den zunehmenden Passagierverkehr auf Kurz- und Mittelstrecken, handelte es sich eigentlich von Anfang an um einen mittelschweren Bomber. Tatsächlich absolvierte der Prototyp der militärischen Variante im Februar 1935 seinen Erstflug, einige Wochen vor dem Prototyp der Zivilvariante: Auf Tarnung legte Hitler-Deutschland keinen Wert mehr.

Assembly of German Heinkel He-111 bombers at the Heinkel factories in Warnemünde (Germany), World War II.

 

Serienproduktion von Heinkel He-111 in WarnemündeQuelle: picture alliance / Photo12/Colle

Die ersten Baureihen hatten noch ein klassisches Cockpit auf der Rumpfoberseite, ähnlich wie die etwa zeitgleiche deutsche Konstruktion Dornier Do-17 oder das US-Muster Boeing 247. Doch bei den He-111 bemängelten die Piloten die schlechte Übersicht, vor allem nach vorne unten. Also entwickelten Heinkels Ingenieure eine neue Rumpfspitze für ihr Flugzeug – voll verglast und mit der typischen Rippen-Struktur. Der unverwechselbare „Heinkel-Look“ war geboren.

Die ersten Bomber der neuen Serie P wurden seit Anfang 1939 ausgeliefert, die verbesserte und mit Junkers- statt Daimler-Benz-Motoren ausgestattete Serie H folgte noch vor Kriegsbeginn. Hergestellt wurden die Heinkel-Flugzeuge einerseits im Stammwerk in Rostock (das allerdings seit der Gründung 1922 schon zweimal umgezogen war) und im neuen, 1936/37 errichteten Werk Oranienburg nördlich der Reichshauptstadt Berlin.

Zusammen mit dem zehn Jahre jüngeren Willy Messerschmitt war Heinkel inzwischen die wichtigste Persönlichkeit des deutschen Militärflugzeugbaus; der etwas ältere Claude Dornier war nicht mit voller Begeisterung dabei, wurde erst 1940 Mitglied der NSDAP, während schon 1859 geborene Hugo Junkers schon 1933 seine Firmenanteile verloren hatte und zwei Jahre später gestorben war.

German Heinkel 111 bomber over London. Below is the River Thames and Tower Bridge. German photo taken Sept. 7, 1940 during first days of World War 2. (BSLOC_2014_6_3)

 

Eine He-111 im Sommer 1940 über London. Gut erkennbar die charakteristische Form der TragflächenQuelle: picture alliance / Everett Colle

Die He-111 bewährte sich in der Luftschlacht um England nur begrenzt, denn sie war konstruktiv zu langsam. Auch eine starke Defensivbewaffnung konnte das Problem nicht lösen, sodass die Luftwaffe auf Nachtangriffe umstellen musste. Nach dem vor allem psychologisch wichtigen Sturzkampfbomber Junkers Ju-87, der „Stuka“, und der Messerschmitt Bf-110 war die He-111 bereits das dritte Standardmuster der Luftwaffe, das hinter den Erwartungen zurückblieb. Konstruktionen, die den Typen der deutschen Gegner zumindest zeitweise technisch überlegen waren, vor allem die Focke-Wulf Fw-190, kamen erst im Verlauf des Krieges hinzu.

In den beiden großen Heinkel-Werken sowie bei mehreren Auftragsherstellern wurde dennoch He-111 bis in den Herbst 1944 hergestellt, insgesamt mehr als 7500 Stück. In der ersten Kriegshälfte und an der Ostfront auch danach blieb dieses Flugzeug der wichtigste deutsche Bomber – auch weil die insgesamt fast doppelt so oft gebaute Ju-88 nicht nur als Bomber, sondern in großer Stück ebenso als Nachtjäger eingesetzt wurde.

Über einen viermotorigen, strategischen Bomber verfügte die Luftwaffe zu Beginn des Zweiten Weltkriegs nicht. Zwar hatte es einen entsprechenden Entwicklungsauftrag gegeben, den „Uralbomber“, doch die Dornier Do-19 und die Junkers Ju-89 waren nur als Prototypen gebaut worden. Der Grund war nicht irgendeine militärstrategische Überlegung, sondern eine in sich unsinnige Erwartung Hitlers: Auch der strategische Bomber der Luftwaffe sollte Sturzkampffähigkeiten haben.

Ernst Heinkel und seine Ingenieure machten sich an die Entwicklung, doch das Ergebnis, die He-177, machte von Beginn an vor allem Probleme. Sie verfügte über vier Motoren, die aber nur zwei Propeller antrieben – diese Konstruktion funktionierte nie überzeugend. Außerdem musste der Rumpf aufgrund der extremen Belastungen beim Sturzflug deutlich stärker ausgelegt werden als für ein gewöhnliches Flugzeug.

A Luftwaffe Heinkel He-177A-5/R-6 of Ii/Kg 40 at Bordeaux-Merignac in the Spring of 1944, after the Gruppe Reverted to an Atlantic Reconnaissance Role (Photograph by Philip Jarrett from the aviationimages.com collection)

 

Vier Heinkel He-177A auf einem Flugfeld 1944Quelle: picture alliance / Mary Evans Pi

Trotz all ihrer Probleme ging die He-177 in Serie. Da die beiden Heinkel-Werke immer noch mit dem Bau der He-111 weitgehend ausgelastet waren, entstand drei Viertel der gebauten He-177 bei Arado in Brandenburg an der Havel. An der inzwischen typischen Heinkel-Nase der He-111 orientierte sich übrigens auch die größere Nachfolgerin.

Nach der Niederlage 1945 wurde beide Heinkel-Flugwerke (bzw. das, was von ihnen nach massiver Bombardierung noch übrig war) von den Sowjets demontiert. Da er 1943 faktisch enteignet worden war, stellte er sich als NS-Gegner dar. In zweiter Instanz des Entnazifizierungsverfahrens gelang es ihm, als „entlastet“ anerkannt zu werden.

Das eröffnete dem nun 62-Jährigen die Möglichkeit, an neuem Standort in Stuttgart wieder tätig zu werden. Zuerst ließ er Motorroller und Kleinautos produzieren, doch auch die Rückkehr in den Flugzeugbau bereitete er vor. Allerdings erlebte er das nicht mehr, sondern starb Anfang 1958. Die neu gegründeten Ernst Heinkel-Flugzeugbau gingen 1964 in dem Konglomerat Vereinigte Flugtechnische Werke auf, das 1981 Teil des Konzerns MBB wurde, der über mehrere Zwischenstationen heute Teil der Airbus-Gruppe ist.

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